6 Wege wie wir unabsichtlich Wertschätzung entziehen

Führen ohne Wertschätzung?

So fährt man Teams mit Vollgas ins Nirvana

Oft scheitert Führung nicht an der großen Strategie, sondern an Kleinigkeiten. An Nebensätzen. An Gesten, die zwischen den Zeilen vor der Gruppe allen im Raum mehr verraten als jede PowerPoint-Folie.

Den anderen einfach übergehen

Schatzmeisterin Anna will gerade einen Gedanken ausführen, da fällt ihr der Trainingskoordinator ins Wort – zweimal, dreimal. Sie holt Luft, er redet schon wieder. Irgendwann sagt Anna sagt gar nichts mehr. Die Idee wäre vielleicht Gold wert gewesen, geht unter.
Wer so agiert, züchtet keine Kreativität, sondern Schweigen, der engagiert niemanden sondern bekommt nur stumme Beisitzer.
Ein kleiner Trick hätte gereicht: Namen nennen, Tempo rausnehmen. „Anna, erzähl das bitte noch fertig.“ So einfach ist Respekt - und hätte das der Chapterdirektor gemacht, hätte er das Team vermutlich enorm beflügelt.

Der Klassiker: meine Gefühle zählen, Deine nicht.

Ein Eventkoordinator berichtet im MA, dass er mit dem Besuchertag echt gefordert ist. Einer platzt heraus “halb so schlimm, ich hab das letztes Jahr auch gemacht UND gleichzeitig…”

Übersetzung: „Meine Erfahrungen und Emotionen zählen, Deine wertlos.“ Damit ist das Gespräch beendet – und die Beziehung oft gleich mit.
Der bessere Weg? Die Emotion anerkennen, auch wenn man sie nicht teilt. Verstehen, dass die eigene Erfahrung kein Maßstab für alle anderen ist. Es hilft mehr zu sagen: „Ich sehe, das stresst dich – lass uns eine Lösung suchen.“ Das kann Türen öffnen statt sie zuzuschlagen.

Die Höflichkeit der Könige: Pünktlichkeit.

Wer immer zu spät kommt, sagt eigentlich: „Meine Minuten sind mehr wert als deine.“ Wer das regelmäßig praktiziert, darf sich nicht wundern, wenn Verlässlichkeit im Team ausstirbt.
Pünktlichkeit ist eine der einfachsten Führungslektionen: rechtzeitig da sein, mehr noch: rechtzeitig vorbereitet da zu sein, zeigt, dass man es ernst meint – und dass auch die anderen schätzt.

Noch fieser ist die „Funkstille-Falle“.

Eine Nachricht ins Off – keine Antwort, kein „OK“, nicht einmal ein Daumen hoch. Projekte hängen in der Luft, Menschen fühlen sich übersehen.
Ghosting ist kein Stilmittel, sondern ein stiller Rückzug aus Verantwortung. Zwei Worte hätten gereicht: „Passt so.“ oder „Melden wir morgen.“ Mehr braucht es oft nicht.

Auch auf der Seite des Schweigenden ist das Thema sonst weiterhin offen. Man weiß, da ist noch was zu tun, aber was? Wie eine Mücke im Raum, irritiert das unbeantwortete Thema - und wer das nicht in den Griff bekommt, hat bald einen ganzen Mückenschwarm um sich und kann sich nicht mehr konzentrieren.

Dann die herablassenden Nettigkeiten.

„Das ist ja eine süße Idee.“ Klingt charmant, ist aber pure Arroganz. Wer so spricht, nimmt Ideen den Sauerstoff. Die Folge: Menschen halten künftig lieber den Mund.
Echtes Interesse hingegen entfacht Energie: „Interessant – wie könnten wir das in die Praxis bringen?“ Aus derselben Situation wird plötzlich Aufbruchsstimmung.

Und schließlich die Dolch-Komplimente.

„Für dein Alter bist du echt modern drauf”, “Du bist nicht nur hübsch sondern sogar kompetent.” Im besten Fall klingt das wie ein Lob, ist aber ein Schlag unter die Gürtellinie. Denn das Lob verliert sofort seine Wirkung, wenn es in eine Schublade verpackt wird, wenn offenbart wird, dass man beim anderen in der Schublade der “alten Säcke” oder der “wenigstens hübsch anzusehenden Mädchen” gelandet ist.
Besser: Loben ohne Haken. „Deine Präsentation war richtig stark.“ Punkt. Keine Fußnoten, keine Vergleiche.

Fazit:
Führung ohne Wertschätzung ist wie Kuchenbacken mit Sägespänen. Sieht vielleicht aus wie Kuchen, aber niemand will ihn essen.

Wertschätzung heißt nicht, täglich Lobkarten zu verteilen. Es heißt, im Alltag hinzusehen, wie Menschen reden, fühlen und arbeiten. Wer führen will, muss zuerst sehen, was im Team steckt – und es dann freilegen. Alles andere ist Verwaltung.