Das Blaue Farbe Syndrom oder warum viele Dienstleister viel zu wenig Business machen
Von der blauen Farbe zum Erfolg: Wie Du in Deinem Chapter Türen öffnest
Stell Dir vor, ein Maler bietet Dir seine Dienste an – aber er malt nur in dunklem Blau. Kein Himmelblau, kein Türkis. Nur dieses eine Blau. Fast schon schwarz. Würdest Du ihn engagieren? Wahrscheinlich nicht. Und würde er Dich bedrängen, würdest Dich wahrscheinlich abwenden, denn sein Angebot ist für die meisten schlicht “nicht anschlussfähig”. Also im Alltag schwer unterzubringen.
In den Chapters sehe ich solche Beispiele häufig. Da ist etwa die Trainerin, die „Führungskräfte zu ihrem vollen Potenzial bringt“, aber auf Handwerker trifft, die sich selbst nicht als Führungskräfte sehen. Oder der Marketingexperte, der „Kundenpanels für Sinus-Milieus“ anbietet – ein Begriff, der den meisten nichts sagt. Beide hatten große Kompetenz, aber sie boten „blaue Farbe“, die niemand wirklich brauchte. Sie taten so, als wäre ihr Angebot ein Produkt wie ein Karton Milch: klar abgepackt mit Titel und Logo. Aber Dienstleister verkaufen keine in Karton verpackten Leistungen, sie verkaufen ihre Zeit und in dieser Zeit ihre Expertise.
Ist Dein Angebot anschlussfähig?
Anschlussfähigkeit bedeutet, dass Dein Angebot in den Alltag Deiner Gesprächspartner passt. Menschen müssen verstehen, was Du machst, und einen Bezug zu ihrem eigenen Bedarf, ja zu ihrem Leben, herstellen können. Ohne diese Verbindung bleibst Du ein Fremder.
Besonders kritisch wird es, wenn Fachsprache ins Spiel kommt. Ob lateinische Begriffe in der Medizin oder englische Abkürzungen wie „SEO“ oder „Sales Automation“ – Fachjargon schafft Distanz. Und Vertrauen ruht auf Verstehen. Wer nicht versteht, was Du tust, wird Dich kaum weiterempfehlen.
Die Engpasskonzentrierte Strategie: Gut gedacht, aber keine Türöffnerin
Die EKS hilft, Dein Portfolio zu schärfen und profitabler zu machen. Sie ist eine Firmenstrategie, keine Kommunikationsstrategie. Denn sie allein öffnet keine Türen. Türen gehen auf, wenn Menschen Dich mögen, Dich verstehen und Dir vertrauen. Und wenn der andere nicht versteht, was Du machst, es nicht wirklich begreift, dann wirst Du nicht weiter empfohlen. Es ist so klar, es ist so hart.
Ein Schlüsselerlebnis: Das echte 1-2-1
Meine eigene Erkenntnis kam durch ein ungewöhnliches 1-2-1 mit einer Schamanin. Ich, der rationale Zahlenmensch, stand plötzlich vor Federn und Ritualen, die ich nicht einordnen konnte**. Als ich ihr mein Business erklärte, sagte sie nach jedem dritten Satz: „Ich verstehe kein Wort.“ Zuerst machte mich das wütend. Doch schließlich lernte ich von ihr die wichtigste Lektion: Menschen brauchen klare Bilder, um Dich und Dein Angebot einordnen zu können.
Am Ende sagte sie: „Also bist Du Verkaufstrainer.“ Der Begriff passte überhaupt nicht zu meinem Selbstverständnis, aber er war verständlich. Ich änderte meine Berufsbezeichnung – und plötzlich bekam ich Empfehlungen. Die Menschen wussten, was sie von mir erwarten konnten, und das machte den Unterschied.
Wage andere 1-2-1
Dann begann ich, andere 1-2-1 zu führen. Da ich u.a. ein Hörbuch zum Thema “Fragetechniken” herausgegeben hatte, begann ich eben ein “gefragtes” 1-2-1 zu machen. Ich fragte:
Wir kennen uns seit 6 Monaten,
kannst Du mir sagen, was ich mache? (6. Berufskategorie am 1-2-1-Formular)
was würdest Du sagen zeichnet mich aus? (Punkte 7 und 8)
Was meinst Du, ist Deinen Kontakten wichtig, wenn sie jemanden wie mich buchen/beauftragen? (Punkt 10)
Welche Info müssten andere im Chapter über mich haben, damit sie mich besser empfehlen können? (Punkt 9 und 10)
Was müsste ich im Chapter anders machen, um mehr Empfehlungen zu bekommen?
In welcher Rolle könnte ich dem Chapter am meisten bringen?
Beachte: ich habe oft die Fragen “über die Bande” gestellt, damit das nicht wie eine Prüfung wirkt oder unter Druck setzt. Also nicht “was brauchst DU, um mich zu empfehlen”, das könnte als “unter Druck setzen” verstanden werden, sondern “was brauchen andere, um mich zu empfehlen”.
Der Zauber wirkt
Ich habe nicht mit jedem gesprochen, sondern gezielt mit den richtigen Menschen: dem Führungsteam, meinem engsten Netzwerk und einem erfahrenen Mitglied aus einem Nachbarchapter. Insgesamt waren es vielleicht zehn Gespräche – aber es waren zehn der wertvollsten Stunden, die ich je investiert habe.
Diese Gespräche waren wie eine kostenfreie Unternehmensberatung. Sie haben mir nicht nur gezeigt, wo mein Angebot tatsächlich besser werden musste, sondern auch, warum es anderen schwerfiel, mich weiterzuempfehlen. Die Offenheit dieser Gespräche war nicht immer leicht, denn sie wurden oft persönlich – manchmal sogar unangenehm. Doch genau das machte sie so wertvoll. Ich erfuhr, warum meine „blaue Farbe“ nicht gekauft wurde, und begann, meinen Fokus darauf zu legen, was ich wirklich gut kann.
Expertise allein reicht nicht – der Boden macht den Unterschied
Experte zu sein ist wichtig, ja. Doch bei BNI ist das nur die halbe Wahrheit. Um empfohlen zu werden, musst Du auf Augenhöhe bleiben. Es geht darum, mit den anderen in einer Sprache zu sprechen, die sie verstehen, und die Wirkung Deines Angebots greifbar zu machen.
Schopenhauer sagte, man möge “denken wie die wenigsten, aber reden wie die meisten”. Also man soll in der Lage sein, in seinem Fachgebiet mehr zu verstehen als die anderen und besser agieren zu können als die anderen, aber dann muss man es den anderen, a.k.a. Kunden, so erklären, dass sie zumindest Teile davon verstehen können.
Statt über „SEO-Marketing“ zu sprechen, sage: „Ich sorge dafür, dass Kunden in Deiner Region Dich finden.“
Anstelle von „Employer Branding“ erkläre: „Ich helfe Dir, die passenden Mitarbeiter zu finden, damit sie nicht nach drei frustrierenden Monaten wieder weg sind.“
Und anstatt Dich als „Aufräum- und Ordnungsprofi“ zu bezeichnen, sage: „Ich spare Teams jede Woche 4–6 Stunden Arbeitszeit, weil Aufgaben reibungslos von der Hand gehen.“
Deine Wirkung zählt, nicht Deine Arbeit!
Die Botschaft ist klar: Menschen interessieren sich nicht dafür, was Du machst, sondern welche Wirkung Du erzielst. Diese Klarheit öffnet Türen.
Zwei Perspektiven, eine Strategie
1. Allein auf weiter Flur?
Wenn Dein Chapter-Team klein ist oder Du in einer Nische arbeitest – etwa als SEO-Experte in einem Handwerkerchapter –, wird es umso wichtiger, Deine Sprache an die Bedürfnisse der anderen anzupassen.
2. Zu wenige Empfehlungen?
Wenn die Empfehlungen ausbleiben, können gezielte 1-2-1-Gespräche Dir helfen, die Potenziale Deiner BNI-Mitgliedschaft zu entdecken und besser zu nutzen. Diese Gespräche decken oft Hindernisse auf, die Du selbst nicht siehst.
BNI: Ein Netzwerk voller Potenziale
BNI ist mehr als nur ein Netzwerk. Es ist eine dynamische Landschaft aus Beziehungen, die von der Vielfalt und Tiefe der Mitglieder lebt. Wer bereit ist, neue Perspektiven einzunehmen und aktiv zuzuhören, wird nicht nur sein Angebot, sondern auch sich selbst weiterentwickeln. Die Wirkung, die Du entfachst, ist der Schlüssel zu Deinem Erfolg – und der beginnt mit den richtigen Gesprächen.
* Nebenhöhlen heißen auch “Sinus frontalis” (Stirnhöhle) und “Sinus maxillaris” (Kiefernhöhle), die bei einer starken Erkältung rasch zu einer Entzündung der Sinusitis führen.
** bei all der professionellen Distanz konnte ich sie später einem Arbeitgeber empfehlen, der große Schwierigkeiten mit einem Azubi hatte und diese Empfehlung hat ein Menschenleben massiv zum Besseren verändert. Ich lernte, dass man nie aus der eigenen Perspektive über die Leistungen anderer urteilen sollte.
Wer Geschäftspartner sucht, sollte keine Mitglieder werben.