Wie viele Berührungen braucht es?

BNI ist eine ständige Quelle für Inspiration. Sei es durch andere Mitglieder, sei es durch Gäste, Hauptpräsentationen und auch durch Beispiele -gute wie schlechte.

Und wir sehen bei BNI auch, was funktioniert und was nicht. Letztens sagt zum Beispiel ein Mitglied zu mir “den Herrn Y habe ich schon letzten Dezember eingeladen, der kam nicht”. Und just letzte Woche erklärte mir eine hervorragende Unternehmerin halb im Scherz aber doch ein wenig erbost “den habe ich zwei Mal gefragt, ob er zu uns zu Gast kommt, jetzt fragt den die Frau Z aus dem Team hier und da kommt er natürlich angetanzt!”.

Das ist kein BNI-typisches Phänomen. Als Verkaufstrainer ist es ein ständiges Thema, dass UnternehmerInnen oft Stunden in das Schreiben eines Angebots investieren (z.B. Installateure oder Tischler), dann aber nicht zum Telefon greifen wollen. Ein einziger Anruf beim Kunden, um Fragen zu klären, steigert die Chance auf einen Auftrag um über 70%, dennoch höre ich oft “ich will den Kunden ja nicht bedrängen!”.

Ich erlebte das im Extrem: eine Anwältin und ein Notar luden per Brief 30 Gäste zu einem Interessentenmeeting ein, NICHT EINER kam. Denn ein einziger Kontaktpunkt, ein einziges Mal mit der Idee konfrontiert zu werden, reicht einfach nicht aus. Die beiden waren frappiert, waren sie doch gewohnt, dass auf Schreiben reagiert wird - doch eine Einladung zu einem Netzwerktreffen hat eben eine andere Dringlichkeit als eine Vorladung zu einem Verhandlungstermin.

Das Geheimnis des Latenten Bedarfs

Im Marketing ist es ein offenes Geheimnis, so offen, dass man nie darüber redet und es dann tatsächlich oft vergessen wird: das Phänomen des Latenten Bedarfs.

Die Dringlichkeit, mit der wir etwas benötigen, variiert. Brennt der Weihnachtskranz lichterloh ist der Bedarf nach Feuerlöschern hoch. Sonst sind Feuerlöscher wenig dekorative, zugleich scheinbar teure Teile. Und kennen wir nicht alle den Typen, der schon 2 Jahre mit einem Steinschlag in der Windschutzscheibe Auto fährt? Er hat einen Bedarf, er ist ihm nur nicht dringend genug. (Bitte dringend niemals mit wichtig verwechseln!)

Latenter Bedarf kennt viele Abstufungen

Erst ab einem bestimmten Grad der Dringlichkeit, wird ein Kunde aktiv. Es heißt “no pain, no change”, tut nix weh, ändert man nix. Wie viele von uns wussten seit Jahren, dass wir ein etwas besseres Netzwerk brauchen könnten? Wie viele begaben sich nie aktiv auf die Suche? Das ist der latente Bedarf, und den gilt es zu betreuen, denn von selbst werden Menschen mit latentem Bedarf nicht aktiv.

Generell gilt: je dringender der Bedarf, desto rascher unsere Kaufentscheidung. Das ist wohl klar. Über die 50ct für den Toilettenbesuch auf der Autobahn regt man sich auf, NACHDEM man sich erleichtert hat.
Was weniger offenkundig ist: je unklarer dem Kunden sein Bedarf, desto mehr hochwertige Kontaktpunkte (“Touches”) braucht er, um sich zu entscheiden.

Online-Marketingprofis schätzen, dass ein Kunde 5-15 “Touches” braucht, um eine Entscheidung zu fällen. Das ist, warum Du auf Facebook Werbung angzeigt bekommst, für Dinge, die Du auf Amazon angesehen hast. (Da Amazon nicht bekanntgeben darf, ob Du gekauft hast, siehst Du oft auch Werbung für bereites Gekauftes.)

Mit den Touches durchschreitet unser Interessent den Weg, um Kunde zu werden. Das kann man in verschiedene Stufen gliedern und bei jeder gelten andere Regeln.

Aufmerksamkeit

In der ersten Phase nehmen wir das Thema zum ersten Mal wahr. Ein Kunde hat vielleicht noch nie etwas von “Employer Branding”, “Reiki” oder “BNI” gehört.

Neugier

Hat man die erste Phase positiv überwunden, beginnt sich der Angesprochene zu interessieren. Was ist das? Wer braucht das? Oft dominiert hier reflexartige Ablehnung, weil man Unbekanntem eben oft zuerst mit Skepis begegnet.

Analyse

“Das will ich mal probieren” oder “das mach ich mal” oder “wenn die Magna Employer Branding macht, schauen wir uns das auch mal an”. An dieser Stelle hat das Angebot es geschafft, das unverbindliche Interesse in eine erste, verbindlichere Handlung umzuwandeln. Ab dieser Phase ist eine direkte Ansprache gut investierte Zeit! Bis hierher benötigten wir Marketingkompetenzen, jetzt werden Vertriebskompetenzen relevant.

Entscheidung

“OK, ich machs”. Jetzt ist der andere bereit, eine Entscheidung zu fällen.

Aus diesen vier Stufen folgen wichtige Erkenntnisse:

Erste Erkenntnis: Bist zu früh, hast Du versagt.

Es ist völlig kontraproduktiv, zu früh um einen Abschluss zu fragen. Nehmen wir BNI als Beispiel. Jemanden die erste Einladung zu einem Besuchertag zu schicken und einen Bewerbungsbogen beizulegen, ist kontraproduktiv. Das ist ja logisch.

Jeder Bekleidungsverkäufer und Autohändler weiß: dem Kunden zu früh um eine Entscheidung zu bitten, führt zu einem Nein. Aber hast Du mal den Anzug gekauft, ist die Entscheidung für den Gürtel, die Socken und das Hemd viel einfacher.

Zweite Erkenntnis: Berührst Du zu selten, hast Du versagt.

Je latenter der Bedarf, also je weniger groß das Bewusstsein um den Bedarf, desto (a) mehr, (b) verschiedene und (c) hochwertige Kontakte braucht es, damit der andere in den AIDA-Phasen voran schreitet. Es bringt also gar nichts, nach der ersten Einladung zu glauben, der andere hätte schon alle Info und sich gegen BNI entschieden, sonst wäre er ja da gewesen. Manche unserer besten Mitglieder wurden vier mal von drei verschiedenen Personen eingeladen, bis sie sich für eine Mitgliedschaft entschieden.

Dritte Erkenntnis: Variiere Deine Kontaktpunkte

Die Aufgabe ist also, viele Kontaktpunkte (“Touches”) zu schaffen. Die müssen verschieden sein. Ein mächtiges Format ist der Besuchertag, wenn er korrekt gemacht wird. Denn mit Briefversand, kollegialem Telefonat und Co, schaffen wir bereits drei bis vier verschiedene Kontaktpunkte (Brief, Telefonat, Mail mit Adresse & Details). Manche Chapter wollen das abkürzen und nur telefonisch einladen. Funktioniert. Nimmt Kontaktpunkte, rückt die Entscheidung einen Hauch weiter in die Ferne. Verstehe bitte: kein Gast wird sich wegen des Briefs für BNI entscheiden. Doch die Summe hochwertiger Kontaktpunkte schafft Vertrauen und das braucht es für eine positive Entscheidung. Folge dem Prozess und es wird schlicht einfacher. Deswegen entscheiden sich so viele Gäste erst beim Nachtelefonieren für BNI, es ist ein weiterer Kontaktpunkt, meist ein sehr hochwertiger, weil beim zentralen Nachtelefonieren hat der Interessent ja einen speziell für diese Gespräche ausgebildeten Ansprechpartner.

Vierte Erkenntnis: Hast Du nur einen Hammer, schaut alles aus wie ein Nagel

Inspirationen für professionelles Netzwerken

Netzwerken mit Methode

Das Hörbuch von Stefan Gössler

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33 plus 1 Kniffe, mit denen man sein Netzwerk noch stärker macht. Gepackt in 135 Audio-Minuten. Mit eigenem Arbeitsbuch für BNI Mitglieder.

Besuchertage sind hervorragend. Wenn nicht jedes Mal dieselben Gäste aufscheinen. Es bringt wenig, immer dieselben Personen und gar Mitglieder anderer Chapter zu Besuchertagen einzuladen. Bald wirkt das wie ein Klassentreffen und man hat zwar 30 Besucher, aber davon kaum echte, neue Gäste, die für alle Neukontakte darstellen. Es ist für die Entscheidung tatsächlich kontraproduktiv, den Gast ein zweites und drittes Mal in einem Jahr zu einem Besuchertag einzuladen. Die Phase der Neugier mündet in einer Enttäuschung, weil Neugier will etwas Neues.

Dafür nutzen Top Chapter weitere Veranstaltungen als Anlässe, Menschen einzuladen. Besuchertage sind ein Mittel der Wahl, das hervorragend funktioniert, keine Frage. Dennoch kann man sich vereinzelt auch andere Meetingformate überlegen: Branchentage, Betriebsbesichtigungen, BNI 19, Netzwerkabende. Damit so ein Programm professionell abgewickelt wird, braucht es ein ganzes Team rund um den Eventkoordinator. Dafür brauchen wir einen guten Medienkoordinator, der die Aktivitäten des Chapters in die Breite trägt - sieht ein Gast einen Bericht über das Meeting, ist das ein weiterer Kontaktpunkt.

Fünfte Erkenntnis: Nimm Dich nicht so wichtig

Merke: je unklarer dem anderen der Mehrwert durch BNI ist, desto wichtiger ist es, dass sie/er sich ein rundes Bild machen kann. Deine Rolle als betreuendes Mitglied ist hier nicht, den anderen zu überreden. Überreden ist der Vesuch, die vier Phasen von oben kraftvoll zu durchbrechen. Das klappt heutzutage kaum noch. Deine Rolle ist viel eher, den Entscheidungsprozess des anderen zu begleiten.

Hab also keine Skrupel, zuerst die Erlaubnis einzuholen, den anderen zu kommenden Events einzuladen und das dann eben auch zu machen. Es ist nichts falsch an der Frage “ich verstehe, dass das aktuell für Sie noch nicht passt, wäre es für Sie von Interesse, von kommenden Veranstaltungen informiert zu werden?”. Falsch ist nur, solche Fragen nicht zu stellen.

Die letzte und wichtigste Erkenntnis: Nobel gescheitert ist auch versagt.

Viele scheitern nur daran, weil sie den anderen nicht bedrängen möchten, nicht aufdringlich sein wollen, nicht “needy” wirken wollen.

Das ist alles schön und gut, wenn man keine Ergebnisse erreichen will und sich wohl fühlt in einer unterwürfigen, passiven Rolle. Will man Ergebnisse, sollte man zuerst dem anderen auf Augenhöhe begegnen. Nicht bedrängen, sondern Klarheit schaffen:

  • Damit ich unsere Zeit sinnvoll nutze: wann darf ich mich bei Ihnen melden?

  • Damit Sie sich ein Bild machen können: darf ich Sie von unseren nächsten Veranstaltungen informieren?

  • Wann passt ein Gespräch für Sie besser?

Klarheit vermittelt Kompetenz. Wir wollen Geschäftspartner, die unsere Kompetenz schätzen. Daher schaffen wir Klarheit in den Dialogen und auch in den Entscheidungen. Wenn wir verstanden haben, dass ein Gast oft 5-8 “Touches” braucht, um eine Entscheidung zu fällen, verstehen wir auch, warum ein einmaliger Brief als Einladung ebensowenig reicht, wie ein einmaliger Besuch im Chapter ohne Besucherorientierung, ohne Follow-Up. Klar, manche können und wollen gleich nach dem ersten Besuch entscheiden (ich entschied mich sogar vor meinem ersten Besuch für BNI), aber das ist nicht die Norm. Und wenn Du nachfragst, wirst Du hören, dass jene, die sich schon nach dem ersten Meeting entschieden haben, oft vorher bereits recherchierten, Artikel gelesen haben oder anderenorts über BNI gehört hatten.

Und abschließend: das Gleiche gilt für Dein Business. Dass jemand sich nach dem ersten Kontakt für Deine Leistung entscheidet, kann passieren. Wird in vielen Branchen nicht die Norm sein. Ein schriftliches Angebot nur zu mailen und nicht danach anzurufen, ist mit dem Wissen ebenso falsch, wie nicht wenigstens 2-3 Kontaktpunkte lang dran zu bleiben.